Vielzahl an Tierversuchen reduzieren
Ziel der gemeinsamen Forschungsarbeit ist es, 3D-Tumormodelle auf einem Chip zu platzieren, der in der Folge die Testung von Radiopharmaka vereinfacht und günstiger macht. Erste Herausforderung war es deshalb, aus einer zweidimensionalen Zellkultur ein dreidimensionales Zellaggregat herzustellen – ein Sphäroid, das Tumorgewebe imitieren kann. »Damit können wir die Charaktereigenschaften des Mikro-Tumors in unserem System integrieren«, erklärt Entwicklungsingenieur Stephan Behrens vom Fraunhofer IWS. Perspektivisch soll diese Darstellung auf dem Chip immer detailreicher werden, beispielsweise durch den Einsatz patientenspezifischer Zellen oder zur Bestimmung neu entdeckter, charakteristischer Proteine an verschiedenen Tumorzelltypen, die sich radiopharmakologisch detektieren lassen.
Die ersten Tests von Wiebke Sihver und ihrem Team mit den Multiorgan-Chips zeigten bereits positive Ergebnisse. Zum Einsatz kamen dabei zunächst bekannte Substanzen, deren Eigenschaften sich auf dem Chip gut beobachten lassen. »Wir sahen, dass die Bindung an den Tumorsphäroiden bereits funktioniert«, schildert sie. Geplant ist, auf den Chips auch ein Nierenmodell und ein Leberorganoid darzustellen. Insbesondere die Nieren gelten als dosislimitierend und spielen in der radiopharmazeutischen Forschung somit eine wichtige Rolle. »Das heißt umgangssprachlich ausgedrückt: Wenn der Radioligand festhängt, kann das zu Schädigungen in der Niere, aber auch in den Leberzellen führen«, erläutert die Wissenschaftlerin. Die Tests solcher Stoffe mittels Zellkulturen auf einem Chip durchzuführen, sei deshalb eine vielversprechende Alternative. Verlaufen die Versuche im Projekt weiterhin positiv, sollen sich später auch unbekannte Radioliganden in den Systemen prüfen lassen. »Das spart eine große Anzahl an Tierversuchen«, sagt Sihver. Denn auch wenn sich mit ihrer Forschung Tierversuche noch nicht komplett vermeiden lassen, arbeiten die Forschenden daran, ihre Zahl zu reduzieren.
Florian Schmieder sieht durch die Neuentwicklung künftig viele Vorteile für die Patientinnen und Patienten. »Wir könnten patientenspezifische Zellen auf einen Chip bringen und so simulieren, wie sich eine Krebserkrankung entwickelt.« Individuelle Therapien wären auf diesem Weg maßgeschneidert möglich. »Der Krebs bildet außerdem tumorspezifische Antigene, die in Tiermodellen so nicht darstellbar sind.« Auf den Chips soll auch das funktionieren.
Die enge Zusammenarbeit der beiden Forschungsinstitute stellt ein eindrucksvolles Beispiel für den Mehrwert der Wissenschaftsallianz DRESDEN-concept dar, in der sich 36 Partner vereint haben, um den Forschungsstandort Dresden zu fördern und Synergien in Forschung und Lehre sowie Infrastruktur und Verwaltung zu schaffen sowie zu nutzen.