Kunststoff-Zentrum (SKZ) und Fraunhofer IWS entwickeln flexible elektrisch leitfähige Kleb-und Vergusssysteme

Bonds gegen elektrostatische Entladungen

Aktuelles – Fraunhofer IWS Dresden /

Im Projekt »ESDBond« haben das Kunststoff-Zentrum (SKZ) und das Fraunhofer IWS erfolgreich flexible elektrisch leitfähige Kleb-und Vergusssysteme zur Ableitung elektrostatischer Ladungen modifiziert. Dabei erreichten sie durch den Zusatz geringster Mengen von Kohlenstoffnanoröhren (CNTs) erhebliche Verringerungen des elektrischen Volumenwiderstands. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen untersucht das Nachfolgeprojekt »carBONDshield« Möglichkeiten für den Einsatz derart modifizierter Systeme für eine elektromagnetische Abschirmung.

Flexible elektrisch leitfähige und mit Kohlenstoffallotropen modifizierte Kleb- und Vergusssysteme ermöglichen das Ableiten elektrostatischer Ladungen (ESDBond) und schützen zugleich vor elektromagnetischen Interferenzen (carBONDshield).
© shutterstock / Fraunhofer IWS
Flexible elektrisch leitfähige und mit Kohlenstoffallotropen modifizierte Kleb- und Vergusssysteme ermöglichen das Ableiten elektrostatischer Ladungen (ESDBond) und schützen zugleich vor elektromagnetischen Interferenzen (carBONDshield).

Elektrostatische Entladungen (englisch: electrostatic discharge, ESD) verursachen jährlich Schäden in Millionenhöhe. Insbesondere in der Elektronik ist die Fähigkeit von Klebstoffen elektrische Ladungen abzuleiten von signifikanter Bedeutung. Durch den wachsenden Elektronikanteil und die zunehmende Miniaturisierung von Halbleiterkomponenten nimmt die Anfälligkeit beispielsweise von mobilen Geräten, Wearables, Transportelektronik und Industriesteuerelementen, gegenüber ESD fortwährend zu.


Volumenwiderstand um zwölf Größenordnungen reduziert

Ende des Jahres 2020 haben das Kunststoff-Zentrum SKZ Würzburg und das Fraunhofer IWS gemeinsam mit Industriepartnern das Forschungsprojekt ESDBond*1 abgeschlossen. Innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit gelang es den Wissenschaftlern durch den Einsatz von Kohlenstoffnanoröhren (englisch: carbon nanotubes, CNTs) elektrisch leitfähige Klebstoffe und Vergussmassen auf Basis von Polyurethanen und Silikonen herzustellen. Was mit »klassischen« Füllstoffen wie Silberpartikeln unvorstellbar erscheint, ist unter Hinzunahme von CNTs mit einem mittleren Außendurchmesser von nur etwa 1,6 Nanometer möglich. Mit einem Massenanteil von weniger als 0,5 Prozent und einer gleichmäßigen Verteilung der CNT-Füllstoffe im Silikon gelang es den Forscherteams, den elektrischen Volumenwiderstand um bis zu zwölf Größenordnungen zu senken. Maurice Langer, Projektverantwortlicher auf Seiten des Fraunhofer IWS, fasst die Vorteile der neu entwickelten, ableitfähigen und elastischen Nanokomposite zusammen: »Kohlenstoffbasierte Füllstoffe wie die im Projekt untersuchten CNTs tragen dazu bei, die elektrischen Eigenschaften des Polymerkomposites erheblich zu verbessern – bei gleichzeitiger Kosteneinsparung und einer nur minimalen Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften.«

Kleb- und Vergusssysteme sind in der praktischen Anwendung zudem hohen Temperaturschwankungen und starken Vibrationen ausgesetzt. Aufgrund ihrer chemischen Struktur und den hohen Füllgraden bei metallischen Füllstoffen sind diese Systeme üblicherweise starr und spröde. »Im Vergleich demonstrieren unsere Untersuchungen, dass die hohe Elastizität der verwendeten Silikone und Polyurethane durch die Integration der CNTs in die Polymermatrix deutlich besser erhalten bleibt. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise flexible antistatische Dichtklebungen realisieren, welche die teils erheblichen unterschiedlich starken thermischen Ausdehnungen zwischen den Fügepartnern – wie der Elektronikbauteile auf einer Platine – ausgleichen können«, so Langer. Weitere mögliche Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich zudem in der flexiblen Elektronik (englisch: conformable electronics) sowie bei Sensoren und Aktoren. 


carBONDshield – innovative Materialien schützen vor elektromagnetischen Störfeldern

Die fortschreitende Digitalisierung und neue Funkstandards wie der 5G-Mobilfunk führen dazu, dass elektrische Systeme und Geräte verstärkt elektromagnetische Wellen bis ins zweistellige Gigahertz-Spektrum (Industrie 4.0) aussenden. Das Nachfolgeprojekt carBONDshield*2 zielt darauf ab, anspruchsvolle Elektronikanwendungen vor derartigen Beeinflussungen in Form elektromagnetischer Interferenzen zu schützen.

Aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem ESDBond-Projekt wollen die Projektpartner innovative Schirmungsanwendungen auf Polyurethan- und Silikonbasis zur Verbesserung der elektromagnetischen Verträglichkeit (englisch: electromagnetic compatibility, EMC) evaluieren und optimieren. Dabei werden sowohl Klebstoffsysteme für die Verbindung und Abdichtung als auch Verguss- und Beschichtungssysteme für die Kapselung elektronischer Komponenten betrachtet. Sie sollen klassische Verfahren wie die Kapselung mit metallischen PVD-Beschichtungen oder durch Schirmbleche ablösen, die aufgrund des begrenzten Platzangebotes, unzureichender Schirmdämpfungen oder nicht gegebener Flexibilität und Kosteneffizienz zunehmend an Grenzen stoßen.

Für das Nachfolgeprojekt sind das SKZ und das Fraunhofer IWS auf der Suche nach interessierten Projektpartnern. Der Start des Nachfolgevorhabens carBONDshield mit dem Entwicklungsschwerpunkt einer Abschirmung elektromagnetischer Strahlung ist für den 1. Juni 2021 geplant. 

Erst die Auswahl der passenden Dispergier-Technologie ermöglicht eine gleichmäßige Verteilung der Nanofüllstoffe in der Polymermatrix. Beispiel hier: Silikonharz Novasil® S822 mit 0,25 Gew.% NC7000 nach Durchlauf 1 (links) und Durchlauf 4 (rechts) während des Kalandrierens.
© Fraunhofer IWS
Erst die Auswahl der passenden Dispergier-Technologie ermöglicht eine gleichmäßige Verteilung der Nanofüllstoffe in der Polymermatrix. Beispiel hier: Silikonharz Novasil® S822 mit 0,25 Gew.% NC7000 nach Durchlauf 1 (links) und Durchlauf 4 (rechts) während des Kalandrierens.

 

*1 »Entwicklung von Carbon Nanotube-modifizierten Klebstoffen auf Polyurethan- und Silikon-Basis zum Kleben und Vergießen von ESD- und EMV-empfindlichen Bauteilen«, kurz: ESDBond.

*2 »Untersuchungen zum Abschirmungsverhalten Carbon-Nanotube-modifizierter flexibler Dichtklebungen sowie Verguss- und Beschichtungslösungen für elektromagnetische Interferenzen im Spektrum von 104 Hz bis 109 Hz«, kurz: carBONDshield. 

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben 20459 BG wird über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschung (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.