Wie schnell ermüdet ein Bauteil? – Im Fraunhofer IWS geht ein neues Labor in Betrieb

Presseinformation (Nr. II) - Fraunhofer IWS Dresden /

Geht ein Bauteil kaputt, kann dies zwei Ursachen haben: Wird das Bauteil deutlich überlastet, kommt es häufig spontan zum Bruch, zum sogenannten Gewaltbruch. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit dem Knochenbruch nach einem Sturz. Wird das Bauteil dagegen über einen längeren Zeitraum wiederholt verformt, schreitet die Schädigung nur langsam voran – und das bereits bei niedrigen Belastungen, hier spricht man von Materialermüdung. Die Ursachen einer Materialermüdung sind so vielfältig wie die Herstell- und Einsatzbedingungen eines Bauteils. Doch wie kann man vorhersagen, wie lange ein Knochen oder Bauteil hält?

Einrichtung des Hochfrequenz-Ermüdungsprüfstandes
© Fraunhofer IWS Dresden / Frank Höhler
Einrichtung des Hochfrequenz-Ermüdungsprüfstandes
Einseitige Einspannung einer Ultraschall-Ermüdungsprobe
© Fraunhofer IWS Dresden / Frank Höhler
Einseitige Einspannung einer Ultraschall-Ermüdungsprobe

Das Fraunhofer IWS Dresden hat dafür seine Aktivitäten auf dem Gebiet der Werkstoffcharakterisierung und mechanischen Prüfung erweitert. Mit einem neu eingerichteten Hochfrequenz-Ermüdungslabor kann die Dauerfestigkeit von Bauteilen jenseits der klassischen Auslegungsgrenzen bestimmt werden, ein industriell zunehmend an Bedeutung gewinnendes Themenfeld. „Die in der industriellen Anwendung steigende Forderung nach immer stärkerer Ausnutzung des Festigkeitspotentials eines Werkstoffs bei gleichzeitig immer längeren Laufzeiten führt zu Lastzyklen jenseits der klassischen Auslegungsgrenzen“, meint Frau Prof. Dr. Martina Zimmermann, international anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Hochfrequenzermüdung und Initiatorin des neuen Prüflabors am Fraunhofer IWS. „Bereits geringste Veränderungen in der Materialzusammensetzung und im Fertigungsablauf haben gerade im Bereich hoher Lastzyklen einen immensen Einfluss auf die Schwingfestigkeit eines sicherheitsrelevanten Bauteils. Diese Einflussfaktoren gilt es in einer frühestmöglichen Phase der Produktentwicklung zu identifizieren. Gemeinsam mit unseren Industriepartnern werden wir uns dieser Herausforderung zukünftig noch intensiver stellen“, so Frau Prof. Zimmermann.

Schadensfälle an Bauteilen in Fahrzeugen, Geräten und Anlagen lassen sich vielfach auf eine Materialermüdung infolge von wechselnden mechanischen Belastungen zurückführen. Die Bestimmung der Ermüdungsfestigkeit erfolgt deshalb im Allgemeinen durch Aufbringen wechselnder mechanischer Spannungen bzw. Dehnungen. Nur Proben, die im Versuch mindestens 107 (10 Millionen) Schwingspiele ohne Bruch oder Anriss ertragen, galten in der Vergangenheit bei dem entsprechenden Lastniveau als dauerfest. 10 bis 50 Proben müssen getestet werden, um die Dauerfestigkeit eines realen Bauteils mit ausreichender Sicherheit vorhersagen zu können. Statistisch abgesicherte Werkstoffkenndaten lassen sich demzufolge nur durch kosten- und zeitintensive Versuche ermitteln.

Mit der Einrichtung eines hochmodernen Hochfrequenz-Ermüdungsprüflabors am Fraunhofer IWS Dresden bieten sich zukünftig ganz neue Perspektiven. Der neue Prüfstand ermöglicht Prüffrequenzen um 20.000 Hz und erlaubt den Forschern, werkstoff- bzw. fertigungsbedingte Einflussfaktoren auf die Schwingfestigkeit schneller und damit effektiver experimentell zu charakterisieren. Das gilt sowohl für den klassischen Dauerfestigkeitsbereich als auch darüber hinaus – man spricht hier vom sogenannten Very High Cycle Fatigue (VHCF) Bereich. Der Anspruch liegt hierbei in einer umfassenden Charakterisierung des Schädigungsverhaltens, indem Werkstoff, Fertigung und Konstruktion als unabdingbare Einheit betrachtet werden. Eine enge Verzahnung von mechanischer Prüfung, direkter und indirekter in-situ Schädigungsdetektion und hochauflösender Werkstoffanalytik ist daher fester Bestandteil der Aktivitäten auf dem Gebiet der Werkstoffermüdung am Fraunhofer IWS Dresden.

Der Ultraschall-Ermüdungsprüfstand erlaubt Versuche bei unterschiedlichen Lastverhältnissen für ein breites Spektrum an Werkstoffklassen. Auch Blockprogrammversuche zur näherungsweisen Abbildung realer Beanspruchungsszenarien sind möglich. Einer unerwünschten Probenerwärmung infolge der sehr hohen Prüffrequenzen wird durch eine aktive Kühlung und ein Prüfen in einem speziell auf das Dämpfungsverhalten des jeweiligen Werkstoffs abgestimmten Puls-Pause-Betrieb entgegen gewirkt.

Ergänzt wird das Prüfangebot des neuen Hochfrequenzlabors durch einen Resonanzpulsationsprüfstand mit umfangreicher Ausstattung. Mit Prüffrequenzen um 100-150 Hz bei max. Kräften von ± 50 kN können Zug-Druck-Versuche mit oder ohne überlagerte Mittellast, 3- und 4-Punkt-Biegeversuche, Risswachstumsuntersuchungen und isotherme Versuche bis 900 °C an Werkstoff- als auch bauteilähnlichen Proben durchgeführt werden.

Das neue Prüflabor ist nur eine von vielen Stationen, die am 26. Februar 2014, ab 17.00 Uhr am Fraunhofer IWS, Winterbergstraße 28, in Dresden besichtigt werden können. Interessierte Unternehmen sowie die Teilnehmer des Internationalen Laser- und Fügesymposiums 2014 sind herzlich zum 2. Innovationsabend für Unternehmen - Industrie @ Fraunhofer IWS - eingeladen. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung per Online-Formular wird jedoch gebeten.